Was sind faire Preise?

18.06.23 –

Nach dem Besuch bei EDEKA und der Verbrauchergenossenschaft in Calw führte die zweite Etappe Florian Hassler mit den Grünen aus dem Kreisverband Calw zu einem regionalen Hersteller von Lebensmitteln – zum Demeter-Hof Unterer Berghof in Wildberg. Sophie und Jonathan Kraul, die Landwirte des Unteren Berghofes erklärten geduldig, wie das aus ihrer Sicht alles miteinander zusammenhängt.

Schon im EDEKA-Markt wurde klar, dass mehr Regio-Produkte und mehr Bio-Ware ganz im Interesse des Staatssekretärs und auch des modernen Handels sind. Nur: entscheidend ist und bleibt dabei der Preis. Einerseits muss der zum Geldbeutel der Kunden passen, andererseits sollen faire Preise die Existenz der Bauern sichern. Diese versuchen vor allem durch Direktvermarktung – die ja mit höheren Margen für die Hersteller verbunden ist – auf ihre Kosten zu kommen. Das Hauptprodukt des Unteren Berghofes sind Eier. Zweimal zweitausend Hühner legen hier in mobilen Hühnerställen um die Wette.

Auf der Homepage heißt es zum Angebot des Hofes: „Mitten auf dem Hof, neben dem großen Nussbaum, ist in einem Holzhäuschen ein Selbstbe­dienungsladen für Sie einge­richtet. Hier können Sie jederzeit unsere leckeren Produkte bekommen: Eiern, Kartoffel und Linsen in Demeter Qualität auf unserem Hof gewachsen und gelegt. Außerdem finden sie dort auch noch die leckeren Gockelprodukte der Bruderhähne unserer Hennen und verschiedene Honige von den Imkern auf unseren Feldern und Wiesen.“

Die Preise sagen nicht die Wahrheit

Im Haushalt der Europäischen Union (EU) nimmt der Posten Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit rund 40 Mrd. € (2023), also 40.000 Millionen EURO den Löwenanteil ein. Verteilt wird immer noch hauptsächlich bezogen auf die Fläche. Also je größer der Hof, je größer die Direktzahlungen. 70% der öffentlichen Steuergelder werden damit immer noch nach diesem Prinzip verteilt, bei dem die Methode des landwirtschaftlichen Anbaus keine Rolle spielt.

Um das alles genau nach­vollziehen zu können, muss man sich damit sehr auf­wändig be­schäf­tigen. Im Ergebnis ist es so, dass die biolo­gischen Landwirt­schaft, und damit natürlich auch der Demeter-Land­bau, auf dem Markt gegen kon­ventio­nelle Pro­duk­te im Preis konkurrieren muss. Durch künstliche, mineralische Düngung sind aber die Erträge oft mehr als doppelt so hoch. Die Förderung, welche für die Bewirtschaftung nach Bio-Richtlinien ausgezahlt wird, ist aber mitnichten doppelt so hoch wie in der 1. Säule.  Im Schnitt lässt sich also sagen, dass auch mit der aktuellen GAP die Anreize durch höhere Zahlungen nicht dazu beitragen das Land­wirte auf den biologischen Landbau umstellen – es lohnt sich schlicht noch nicht.  Hinzu kommt noch die Kaufzurückhaltung im Einzelhandel, was vermeintlich teurere Bio-Produkte betrifft.

Seit vielen Jahren kämpfen die europäischen Grünen für eine Reform der GAP und haben dabei zwar Fortschritte, aber noch nicht den entscheidenden Durchbruch erzielt. Bei seinen ständigen Reisen zur europäi­schen Vertretung von Baden-Württemberg in Brüssel steht die GAP-Reform ständig auf der Tagesordnung von Florian Hassler.  

Durch das milliardenschwere Programm der EU-GAP kommen Lebensmittel auf den Markt, deren Preise nicht die Wahrheit sagen! Scheinbar sind die konventionellen Nudeln, Mehle, Eier, Kartoffeln und Gemüse zu deutlich niedrigeren Preise im EDEKA-Regal als diejenigen aus der ökologischen Landwirtschaft.

Die versteckten Kosten von konventioneller Lebensmittelproduktion für Umwelt, Gesundheit und Gemeinwohl werden im Supermarktregal nicht sichtbar. Zahlen tut sie der Steuerzahler aber trotzdem, nur nicht an der Kasse im Supermarkt. Würde ein GAP-System geschaffen, welches die Leistungen für Gemeinwohl und Umwelt höher honoriert, würde auch ein größerer Teil des eingesetzten Geldes für eine Landwirt­schaft ausgegeben, die uns auch noch in Zukunft satt macht.

Kartoffelanbau - zur Rettung des Bodens

Welchen Aufwand ein Dementer-Hof zum Schutz der Frucht­barkeit der Erde und der Bio-Diversi­tät treibt, machte Sophie Kraul am Kartoffel-Anbau mit Mulch-Decke deutlich. Unter Vermeidung von Pflanzen­schutz-Mittel zB gegen Kar­toffel­käfer gelingt der biologische Anbau mit Hilfe des intensiven Mulchens der Kartoffelfelder. Auf die Dämme mit den einge­brachten Setzkartoffen wird in dicken Lagen Mulch aus Grün­schnitt verteilt. Viel Mulch.

Für einen Hektar Kartoffeln brauchen wir 4-5 Hektar Grünland für den Mulch! Das ist nicht nur viel Arbeit, sondern nimmt auch entsprechend Fläche in Anspruch!“ erläu­terte die engagierte Landwirtin dem sichtlich beein­druckten Staatssekretär. Das geschieht kurz bevor die Kartoffel­keime die Damm­krone durchstoßen. Mulch sorgt dann für die bessere Nährstoffversorgung der Kartoffeln und des Bodens, schützt den Boden vor Austrocknung und Erosion, und dämmt die Freisetzung von Gasen aus dem Boden ein. „Außerdem sorgt Mulch dafür, dass weniger Unkraut wächst. Der Boden wird das restliche Jahr über nicht mehr bewegt.“ Jonathan und Sophie meinen das sieht – neben den vielen Vorteilen für Boden und Pflanze – auch noch super aus. Alles in Allem ein Gewinn für die Kartoffel, den Boden und das Klima.

Faire Preise brauchen echtes Verständnis

Annährend faire Preise lassen sich für den Berghof am besten über die Direktver­marktung und über den Bio-Handel erzielen. „Es reicht nicht, dass gerade junge Eltern bei ihrer Suche nach gesunden Lebensmitteln zu uns finden. Demeter bedeutet auch Landschafts- und Artenschutz, also im weitesten Sinne echtes Gemeinwohl. Alles das ist in unseren Preisen enthalten und muss auch bezahlt werden. Sonst geht unserer Rechnung nicht auf“, machen Sophie und Jonathan Kraul der Besuchergruppe deutlich.

Bei EDEKA stehen die Demeter-Eier für 0,70 € das Stück neben den konventionellen Eiern für 0,39 €. Da braucht es beim Kunden schon ein erweitertes Verständnis, um zu den „besseren“ Eiern zu greifen.

Gentechnik in den Lebensmitteln – und keiner weiß es mehr.

Auf dem Weg zu den Rindern, die am Hang hinter dem Hof auf der Weide grasten, brachte die Familie Kraul noch ein großes Anliegen beim Staatssekretär zur Sprache. Es ging um die Pläne der EU-Kommission, künftige, mit modernen gen­tech­nischen Methoden (CRISPR/cas) veränderte Lebensmittel aus der strengen Kenn­zeichnungspflicht und der Pflicht zur Rückverfolgung zu entlassen. Diese Entwick­lung erfüllt Sophie und Jonathan Kraul mit großer Sorge. Sie machten deutlich:

Die Politik hat erkannt das der Biolandbau ein wichtiger Baustein sein kann, um die aktuellen Probleme in der Landwirtschaft zu lösen - siehe 25 % Bio-Ziel im Green New Deal der EU. Leider hat sie aber offensichtlich noch nicht verstanden das es dazu auch ein Committment braucht zu den Grundlagen diese Systems.

Diese Basis wird gerade massiv untergraben mit der unregulierten Freisetzung von NGT (Neue Gentechnik) Pflanzen. Wenn wir nicht wissen, was auf den Feldern unserer Kollegen nebenan wächst - weil sie es selbst nicht mehr wissen nach dem Willen der EU-Kommission - können wir unsere Bestände auch nicht mehr vor Verunreinigung schützen. 

Die Natur ist die Grundlage auf der wir alle wirtschaften. Sichtweisen, die nur einseitig auf Gene und nicht das ganze dynamische System betrachten dienen weder der Land­wirtschaft noch der Natur und ihrem Schutz. Deshalb erwarten wir eine Regulierung (Prüfung auf Risiken und Kennzeichnung) aller Saatgüter, die auf den Markt kommen. Nur so kann der Transparenz und Klarheit geschaffen werden für die Verbraucher und die Landwirte.“

Für Florian Hassler war das Thema nicht gerade neu, aber offensichtlich bislang nicht mit entsprechendem Gewicht auf der Tagesordnung des Landwirt­schaftlichen Strategie­dialogs. „Darum müssen wir uns kümmern“, reagierte er auf die über­zeugenden Argumente der besorgen jungen Landwirte. Hoffnungsvolle Blicke begleiteten ihn bei seiner Abreise hinunter ins Tal, wo der Grüne Kreis­verband zu einer Mitgliederver­sammlung eingeladen hatte.

 

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Anhang zur Deregulierung neuer Gentechnik­methoden:

Was das in der politischen Praxis bedeutet, dazu schreiben ganz aktuell am 16. Juni 2023 die beiden Grünen Mitglieder des Bundestages Karl Bär und Harald Ebner:

Kar Bär, Grüne MdB, Agrarökonom

"Der Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnik­methoden ist ein Frontalangriff auf das europäische landwirtschaftliche Modell.

Pflanzen mit bis zu 20 gentechnischen Veränderungen sollen als gleichwertig mit konventionell gezüchteten Pflanzen gelten. Lebensmittel aus Pflanzen mit 20 wirksamen gentechnischen Veränderungen würden ungekennzeichnet auf dem Teller von Verbraucher*innen landen und ohne wissenschaftliche Risikoprüfung in die Natur entlassen.

Der Vorschlag gefährdet die ökologische und in der EU vorherrschende gentechnikfreie Landwirtschaft. Sie müssten sich mit immer mehr Aufwand vor Kontamination schützen. Die Verordnung will den Mitgliedsstaaten sogar verbieten, Maßnahmen zum Schutz von Ökolandbau, sensiblen Gebieten oder gentechnikfreien Regionen zu ergreifen. Die Europäische Kommission scheint vollständig vor den Gentech-Konzernen eingeknickt zu sein. Der Mehrwert der Deregulierung für die Gesellschaft bleibt mehr als fraglich, während die Großkonzerne sicher davon profitieren.

Das Europäische Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten müssen diesen Vorschlag schnell und vollständig zurückweisen."

Harald Ebner, Grüne MdB, Agrarwissenschaftler

"Gentechnik statt Verbraucherschutz: EU-KOM will Wahlfreiheit und Risikovorsorge abschaffen!

Der Gentechnik-Deregulierungsvorschlag der EU-Kommission ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Die Wahlfreiheit für Verbraucher*innen wird abgeschafft, stattdessen wird Verbrauchertäuschung quasi vorgeschrieben. Verkehrte Welt. Es kommt noch schlimmer: Auch Risikoprüfungen will die KOM jetzt für fast alle denkbaren gentechnisch erzeugten Pflanzenkonstrukte abschaffen, obwohl niemand auch nur annähernd abschätzen kann, welche Eigenschaften diese Konstrukte haben werden und was das für die Ökosysteme bedeutet. Für die Umweltpolitik der KOM ist das eine Bankrotter­klärung. Und dass die Kommission sich selbst das Recht einräumen will, zukünftig alleine, ohne die bisher beteiligten demokratisch legitimierten Gremien, entscheiden zu dürfen, für welche Gentechnik-Organismen das bisherige Gentechnikrecht überhaupt noch gelten soll, schlägt dem Fass den Boden aus.

Damit untergräbt die Kommission nicht nur Verbraucherschutz und das Vorsorgeprinzip für Umwelt und Gesundheit, sondern hebelt auch noch die demokratische Mitwirkung von Europaparlament und Mitgliedstaaten aus."

 

© Text: Albrecht Martin

© Fotos: Webseite Unterer Berghof

© Fotos Besuchergruppe: Wolfgang Much

© GAP-Grafik: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Dossier_Landwirtschaft_S%C3%A4ulenstruktur_der_Gemeinsamen_Agrarpolitik.pdf  Abruf 2023-06-23  

Kategorie

Ernährung und Tierschutz | Klima und Umwelt

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