Politik und Handwerk im Dialog: Kritik und Lösungsansätze bei Treffen in Altensteig

17.05.24 –

Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Mitglied des Bundestags, besuchte mit verschiedenen lokalen Vertretern von Bündnis 90/ Die Grünen am 6.5. die Firma Gauß für Heizung Bad Klima in Altensteig und betonte: "Vor-Ort-Besuche sind bekanntlich zum Lernen am Besten". Der Geschäftsführer des Familienunternehmens Jürgen Gauß war sichtlich angetan davon, der Politikerin einen Einblick in die Praxis zu geben und begann das konstruktive Gespräch mit einem Appell: "Die gesellschaftliche Anerkennung der Menschen, die mit ihren eigenen Händen arbeiten, muss besser werden."

 

Brantner stimmte zu und verwies auf ihre Arbeit im Wirtschaftsministerium: “Wir machen uns stark für sichtbare Vorbilder im Handwerk, insbesondere für Frauen. Daher haben wir neben anderen Maßnahmen die bestehende Vorbilder-Initiative „FRAUEN unternehmen“ ins Leben gerufen, um Menschen für diese Berufe zu begeistern.” Auch in der Grünen Partei gäbe es seit einigen Jahren den Verein „Handwerksgrün“, um die Handwerksperspektive stärker in politische Debatten einzubringen.

 

Gleich zu Beginn wurde klar, dass das Thema Heizen und Klima letztlich alle Gesellschaftsbereiche berührt. So wurden auch andere große Themen unserer Zeit, wie Bildung, gerechte Entlohnung für Arbeit, oder Bürokratie angesprochen. Klar wurde in dem zwei Stunden langen Gespräch: Die Kritik, die Jürgen Gauß einbrachte, fiel bei Franziska Brantner auf Verständnis und wird bereits bei vielen Themen in der Politik bearbeitet.

So waren sich Gauß und Brantner einig in der Bedeutung von Bildung und früher Förderung insbesondere im Sprachbereich. Viele Kinder in der Grundschule sprächen nicht gut genug Deutsch. Gauß als Arbeitgeber sieht in mangelnden Deutsch- und Mathekenntnissen eine der größten Probleme  bei vielen Bewerbern für eine Ausbildung[JG1] . Brantner unterstrich, dass bereits in der Kindheit Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Grundkompetenzen zu stärken und den Übergang in das Berufsleben zu ermöglichen. Das mit 20 Milliarden Euro über 10 Jahre hinweg ausgestattete Startchancenprogramm von Bund und Ländern solle ab dem nächsten Schuljahr dazu einen großen Beitrag leisten. Über das Programm sollen ca. 4000 Schulen dabei unterstützt werden, die grundlegenden Fähigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen bei Schüler/innen mit Anfangsschwierigkeiten zu stärken. Damit nicht passiert, was Gauß berichtet, dass mache Bewerber Schwierigkeiten hätte, auszurechnen, wieviel cm übrig blieben, wenn man 43cm von 100cm abziehe.

Ein weiteres Thema  war das Bürgergeld, denn, so Gauß: “Der Unterschied von Menschen mit niedrigem Einkommen arbeiten, und denen die Bürgergeld empfangen, ist zu gering.” Brantner betonte: “Die Garantie eines Existenzminimums und Anreize für Weiterbildung und Arbeit sind wichtig. Gleichzeitig muss sich Arbeit und auch Mehrarbeit immer lohnen. Wenn sich für Menschen, die arbeiten und Sozialleistungen beziehen, z.B. der Wechsel von 20 auf 40 Stunden netto kaum lohnt, dann will man natürlich auch nicht mehr arbeiten. Sie setze sich dafür ein, dass hier Fehlanreize nachgebessert werden. 

Bei der Diskussion wie am besten Bürokratie abzubauen sei wurde es konkret: Gauß kritisierte insbesondere die steigenden Kosten und den als extrem empfundenen Mehraufwand durch neue bürokratische Anforderungen, zum Beispiel beim neuen Berechnungsverfahren zum hydraulischen Abgleich, oder der Tatsache, dass auch ein Gabelstaplerfahrer, der täglich auf seinem Gabelstapler unterwegs ist, jährlich einen neue umfangreiche Unterweisung dafür machen müsse. Brantner hörte aufmerksam zu und versprach, dies in den jeweils zuständigen Ministerien zu übermitteln. Danach berichtete sie ihrerseits von den neu eingeführten Praxischecks im Wirtschaftsministerium, bei denen etwa bei der Genehmigung und Aufstellung von Windkraftanlagen die beteiligten Akteure aus Verwaltung und Wirtschaft gemeinsam ganz konkrete Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung erarbeiten. Dies nehme sie als einen der effizientesten Wege zur Entbürokratisierung wahr. Peter Seimer, der Landtagsabgeordnete der Grünen aus Herrenberg, stimmte zu und verwies auf die beginnende Entbürokratisierung bei der Installierung von Windkraftanlagen, die durch einen solchen Praxischeck angestoßen wurde.

 

Natürlich kamen auch die Themen klimafreundliches Heizen und Wärmenetze nicht zu kurz und es entspann sich eine fundierte und spannende Diskussion zwischen Gauß, Brantner und Johannes Schwarz, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Kreistag, der als freier Architekt schon seit Jahrzehnten die Energiewende im Kleinen vorantreibt. Gauß findet, dass es zu dem neuen Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) grundsätzlich keine große Alternative gibt, wenn man die Klimaziele erreichen will, mahnt aber nun an, dass es unbedingt Kontinuität brauche. Brantner führte zustimmend aus: “Wir hören von Handwerkern und Herstellern genau das, den Wunsch nach Planungssicherheit, die wir nun für die Umstellung auf klimafreundliches Heizen geschaffen haben.“ 

Die Diskussion zeigte deutlich, dass trotz politischer Unterschiede viele gemeinsame Anliegen zwischen Politik und Handwerk bestehen. Der gemeinsame Wunsch, praktische Lösungen zu finden und die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam anzugehen, war bei allen Anwesenden vorhanden. Denn, wie Gauß formulierte: “Gerechtigkeit ist immer kompliziert”.

 

 

Bericht: Kati Cysarek, Grüne Calw

Fotos: Wolfgang Much, Grüne Calw


 [JG1]Meinen bestehenden Auszubildenden möchte ich das nicht unterstellen.

Kategorie

Klima und Umwelt | Kreisverband | Landes- und Bundespolitik | Pressemitteilung

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