Bundesdelegierten-Konferenz in Karlsruhe

06.12.23 –

Delegiert auf der bdk in Karlsruhe!

Welche Ergebnisse die 49. Bundesdelegiertenkonferenz bdk in Karlsruhe erarbeitet hat, das werden die Tages- und Wochenzeitungen ausführlich kommentieren und sich alle ihren Reim darauf machen.

Etwas anderes ist es, wenn man als Delegierte/r an diesem Marathon von über 850 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet teilnimmt. Insgesamt wurde 52 Stunden lang in der modernen dm-Arena in Rheinstetten getagt, bis Mitternacht und später!

Die Tagungshalle selbst war riesig groß und für tausende Menschen eingerichtet. Für jedes Bundesland, jeden Kreisverband mit seinen Plätzen für Delegierte und Ersatzdelegierte (mit Televoter u. Steckdosen!).

 

Ein Europawahl-Programm wurde verabschiedet (tausende Änderungsanträge waren eingearbeitet worden), eine Bundesliste zur Europawahl 2024 mit 40 Kandidat:innen wurde Platz für Platz gewählt – mit Terry Reintke als Spitzenkandidatin (Applaus!!!).

Auch eine neuer Bundesvorstand, ein Bundesschiedsgericht und ein kompletter Parteirat wurden gewählt.

 

 

Mensch und Delegierter

Beim Betreten der Konferenz kam ich mir vor, als ob ich mal wieder auf der Hannover-Messe wäre. In der Vorhalle waren neben Catering-Ständen auch die Telekom, die Bundesbahn, der VBA – Verband der Automobilhersteller, Meyer Burger Solar sowie LIDL mit ihren Werbe-Ständen vertreten, genauso wie der Verband der Landschaftsgärtner und der DLRG. Im Laufe der Zeit lernten wir die Letzteren Stände allerdings zu schätzen!

Das Erlebnis hatte mehrere Ebenen

Ganz persönlich Teil einer so wichtigen Großveranstaltung zu sein, wirkt faszinierend. Professionelles Management, Disziplin bei voller Aufmerksamkeit und engagierten Redebeiträgen. Teil der Grünen Partei als wesentliches Element der deutschen und europäischen Demokratie – bis hin zur internationalen Diplomatie unter Regie von Annalena Baerbock und ihrer Stellvertreterin Anna Lührmann, die wir in der Parteirat gewählt haben.

Sebastian Lustnauer und ich waren gemeinsam dort. Wir waren beide überrascht, wieviel junge Menschen um uns herum waren, beim Applaus aufstanden und jubelten, wenn es um ihre Sache ging. Was für eine junge Partei die Grünen doch sind! Was für eine neue Kultur in der Partei. Ein komplett anderer Eindruck als in unserem Kreisverand mit seinem Durchschnittsalter von weit über 60 Jahren. Entsprechend „lebendig“ und manchmal etwas übermütig ging es dann auch am letzten Abend zu, als über die Migrationspolitik diskutiert wurde.

Und zwischendurch meldete sich der Hunger und wir alle waren froh, dass uns LIDL mit Studentenfutter und die Landschaftsgärtner kiloweise mit Haribo versorgten.

Den besten Cappuccino in Pappbechern gab es beim DLRG. Die Kaffee-Tassen vom Caterer durften ja nicht in den Innenraum.

 

Was nehmen wir als Delegierte mit nach Hause? (außer DLRG-Entchen)?

Ein Delegierter fasste das politische Erlebnis mit den Worten zusammen:

„Als ich hierherkam, war ich doch bedrückt über die Lage. Aber jetzt fahre ich mit frischen Mut zurück nach Hause!“

Die beiden wiedergewählten Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour

 

An der Spitze der Partei änderte die bdk nichts. Mit jeweils über 80% wurde das Duo mit Ricarda Lang und Omid Nouripour wiedergewählt. Die politische Geschäftsführerin ist weiterhin Emily Büning.

Die Parteiführung sagte es klar und deutlich, dass die nächsten zwei Jahre hart werden: mit den Landtagswahlen der ostdeutschen Bündnisgrünen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, mit vielen Kommunalwahlen wie bei uns in Baden-Württemberg und natürlich auch mit den Wahlen zum Europaparlament. Diese Wahlkämpfe werden unter anderem stark von den Auseinandersetzungen mit den Tendenzen in der Wählerschaft, rechts zu wählen, geprägt sein.

Bis hinein ins Europaparlament neigen die konservativen Parteien CDU/CSU, dort unter evp-Führung des CSU-Politikers Manfred Weber dazu, sich den Rechtsradikalen anzudienen. Und gefährden dabei den Green-New-Deal – das große Programm von Ursula von der Leyen.

 

 

 

Die Kreisverbände wurden aufgefordert, den ostdeutschen Bündnisgrünen bei ihren Wahlkämpfen zu helfen. Wenigstens mit Spenden!

Anke Much, unsere Co-Sprecherin im Kreisvorstand traf unsere Parteifreundin
Heidi Büttner als dem Regionalverband Sonneberg-Hildburghausen

 

 

 

Ricarda sagte wiederholt: „Diese Parteien tun so, als wäre konsequente Klimapolitik nur ein Lieblingsprojekt der Grünen. Als müssten nur die Grünen die Wahlen verlieren, um das Thema loszuwerden. Aber Klimapolitik ist und bleibt international unumstößlich auf der Tagesordnung – auch ohne Grüne. Aber nur mit den Grünen ist das Thema auf Platz 1! Deshalb ist es so wichtig, dass wir GRÜ-NEN in den Parlamenten und wo immer möglich in den Regierungen sind!“

Da diese mehr oder weniger offene Haltung gegen eine starke Klimapolitik auch vor Ort eine große Herausforderung für uns darstellen, waren es diese Redebeiträge, die uns Delegierten den Rücken stärkten.

 

 

Für eine Reform der Schuldenbremse!

Knappe Haushaltskassen kennen wir auch als Gemeinderäte, Bürgermeister und als Abgeordnete in den Kreistagen. Aber natürlich war auf der bdk das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse und zu den 60 Milliarden des KTF ein alles überragendes Thema.

Mit Spannung wurde die Rede von Robert Habeck erwartet. Er sprach als Vizekanzler und forderte nicht die Abschaffung, sondern eine Reform der Schuldenbremse. „Ich bin für die Schuldenbremse. Natürlich dürfen wir nicht mit Konsumausgaben aasen“, so Habeck. „Aber so, wie die Schuldenregel vor zwölf Jahren konstruiert wurde, passt sie nicht mehr in die gewendete Zeit.“

 

 

 

Der öko-soziale Umbau unserer deutschen Industrie erfordert jetzt über Jahre hinweg modernes Investment. Dafür stellt sich die Schuldenregel, so wie sie jetzt im Grundgesetz steht, als Zukunftsbremse heraus. Besonders angesichts der massiven staatliche Investitionshilfen in den USA und China. In diesem Wettbewerb droht Europa den Anschluss zu verlieren. Die Spielregeln haben sich in den letzten Jahren international komplett geändert.

 

Das hat die deutsche Öffentlichkeit und haben viele deutsche Politiker noch nicht begriffen! Das war aus mehreren Beiträgen, auch aus dem unserer Spitzenkandidatin für das EU-Parlament, Terry Reintke, deutlich zu vernehmen.

Es scheint paradox, dass gerade die Grünen mit ihrer wichtigen Rolle und ihrem Engagement für eine zukunftsfähige Industriepolitik in Europa, so sehr unter Druck und mit schlechten Wahlprognosen dastehen.

Unsere mit großer Mehrheit gewählte Spitzenkandidatin
für die Europawahl: Terry Reintke. 

 

Aber wenn man versteht, dass die anderen Parteien eben gerade kein durchdachtes Programm für die öko-soziale Transformation in Europa haben, sondern nur ihre nationalen Hinterhöfe und Pfründe schützen wollen, dann wird verständlich, warum die Grünen ihre Gegner (Söder) sind.

Der Geschäftsführer von Daimler-Truck, Martin Daum war zu Gast.

Er machte unter Applaus der Delegierten klipp und klar deutlich, dass die Märkte auch für LKW und Busse sich schon längst in grüne Märkte verwandeln und dass es kein Zurück mehr gibt. Daimler-Truck will hierbei weiterhin Weltmarktführer sein.

 

 

Hitzige Migrationsdebatte …

Es war absehbar, dass es um das Thema Migration einen großen Diskussionsbedarf geben würde. Deshalb hatte man hierfür den Abend am Samstag reserviert und gegen 21 Uhr war es dann auch so weit. Alle Presseplätze waren belegt und viele Gäste füllten zusätzlich den Saal.

Unsere wiedergewählte Bundesgeschäftsführerin Emily Büning.

 

Die Grüne Jugend hatte einen Gegenantrag zum Antrag des Bundesvorstandes (BoVo) formuliert. Insgesamt 20 (!) Rednerinnen kamen zu Wort um den Antrag zu begrün-den. Es entwickelte sich eine hochmoralisch aufgeladenen Debatte.

Mit Not, Leid und Elend der Geflüchteten wurde plakativ begründet, dass auf keinen Fall eine „weitere Verschärfung“ der Asylpolitik auf europäischer Ebene von den GRÜ-NEN mitgetragen werden dürften. „Kein Mensch ist illegal“ war die Parole. Auf die mit der Aufnahme von Geflüchteten verbundenen Probleme vor Ort, auf die sozialen und auch finanziellen Sorgen der Kommunen gingen die Antragsteller nicht ein. Eine Zeitlang konnte zumindest akustisch der Eindruck entstehen, als hätte diese Antrag die Stimmung im Saal auf seiner Seite.

 

… die Antwort von Robert Habeck …

In seiner Entgegnung sagte Robert Habeck, dass er sich phasenweise an die Stimmung in Fußballstadien erinnert fühlte. Der Berliner Nachrichtendienst Table-Media schrieb da-zu: „Es war die Kontroverse zwischen Regierung-Grünen und Werte-Grünen. Es war aber auch ein Zusammenprall der Generationen“.

Die gesamte Führung rang mit

der Grünen Jugend um deren Antrag.


Robert machte deutlich, dass er die Argumente der Basis nicht vom Tisch wischen und mitnehmen werde. Ob Werte-Grün mit Realitäts-Blindheit verbunden sein muss, ist aber doch sehr fraglich. „Unsere Ideologie ist die Wirklichkeit!“ hatte Robert Habeck in seiner Rede am Tag zuvor gesagt.
Aber er verstehe den Antrag eben auch als einen versteckten Antrag, die Regierung zu verlassen. Denn ohne Verhandlungsspielraum kann niemand regieren. Diese Argumente wurden von Ricarda und am Schluss noch einmal sehr deutlich von Annalena bekräftigt. Entsprechend haben wir Delegierten den Antrag der Grünen Jugend abgelehnt.
Wobei im Saal allerdings kein Gefühl der Begeisterung aufkam. Denn eines war allen klar: Geklärt ist das Thema Migration damit noch lange nicht. Es gehört wohl eher zu den großen historischen Fragen, auf die niemand eine politische Antwort hat. (Die Forderung der AfD hierzu: „Festung Europa!“ ist keine politische Antwort, sondern ein Horror-Szenario!)


… und der „Joschka Fischer – Moment“

Die Presse kommentiert diesen Parteitag, der (nach dem Israel-Video) durchaus spürbar das Comeback für Robert Habeck markierte, als „Joschka Fischer – Moment“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begegnungen auf der bdk: Anke Much traf die grünen Bürgermeister von Böblingen Dr. Stefan Belz (Mitte) und Ryyan Alshebl von Ostelsheim, Kreis Calw.

 

Sozusagen als Wiedergeburt eines informell von allen anerkannten „eigentlichen“ Oberhauptes der GRÜNEN. Im Vergleich nicht so  grantig wie Joschka, sondern mit einer zugwandten, freundlichen, aber willensstarken und ebenso klugen Haltung.
Hätte man am Ende der bdk darüber abgestimmt, dann wäre diese Einschätzung vielleicht mehrheitsfähig gewesen. Ob damit schon eine Vorentscheidung zur nächsten Bundestagwahl gefallen ist – wer weiß!

 

Bericht: Albrecht Martin, Grüne Calw

Kategorie

Demokratie | Klima und Umwelt | Landes- und Bundespolitik

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